Jeweils um 20 Uhr 30 der lokalen Ortszeit werden die Schalter umgelegt, ob in Privathaushalten, gewerblichen Gebäuden oder im öffentlichen Raum. Seit dem Auftakt 2007 in Sydney hat sich die „Earth Hour“ zur größten gemeinsamen globalen Umweltaktion entwickelt. Welche Botschaften damit verbunden sind, erklärt die BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven. Und auch, warum wir das Lichterfest „Willumina“ an diesem Wochenende trotzdem ohne schlechtes Gewissen genießen dürfen.
Im Jahr 2000 sorgte das erste von der NASA veröffentlichte Satellitenbild von der nächtlichen Erde für Erstaunen: Zahlreiche Regionen sind hell erleuchtet, vor allem hoch entwickelte Industrieländer in den USA, Europa, Emirate, Indien, China, Korea, Japan und Ostaustralien strahlen aus der nächtlichen Kulisse hervor. Für Astronauten mag das ein romantischer Blick auf die ferne Heimat sein. Für alles Leben auf der Erde, ob Mensch, Tier oder Pflanze, ist es aber keine gute Idee, dauerhaft die Nacht zum Tag zu machen.
Das Energiesparen ist dabei nur ein Aspekt. Noch wird ein großer Teil des Stroms weltweit aus fossilen Energien erzeugt. Unnötige Beleuchtung zu sparen – nicht nur in dieser einen Stunde, sondern rund ums Jahr-, schont also nicht nur das eigene Portemonnaie, sondern auch das Klima.
Die allgegenwärtige Beleuchtung unserer Städte, Gebäude, Straßen, Industrieanlagen, Schiffe ... beeinträchtigt nachweislich den Tag-Nacht-Rhythmus aller Lebewesen. Tagaktive Tiere und auch der Mensch finden nachts keine Ruhe, wenn der Schlafplatz dauerhaft beleuchtet ist. Schon vor dem Schlafengehen brauchen wir Dämmerung, um das Schlafhormon Melatonin bilden zu können. Oftmals helfen nur Verdunkelungsrollos gegen den Lichteinfall von Straßen und Gebäuden, die unsere Wohnung umgeben. Tiere in Gärten, Grünanlagen und freier Natur haben keine solche Möglichkeit, um sich vor Kunstlicht zu schützen.
Umgekehrt gibt es viele nachtaktive Tiere, deren Orientierung und Aktivitäten wie Nahrungssuche oder auch Fortpflanzung von der Dunkelheit gesteuert sind. Bekannteste Vertreter sind Fledermäuse, Eulenarten oder Igel, aber auch zahlreiche Insekten sind nachtaktiv. Ihr Lebensrhythmus und ihre Vitalität wird durch nächtliche Beleuchtung stark beeinträchtigt.
Bei uns am Wattenmeer sind zudem zahlreiche Zugvögel davon betroffen, die nachts ziehen. Wohl jeder, der mal abends und nachts in Wilhelmshaven unterwegs war, hat schon die Rufe ziehender Wildgänse am Himmel gehört. Aber auch Singvögel - deren Zugverhalten mit Satellitensendern erforscht wird - sind nachts unterwegs. Sie orientieren sich dann am Sternenzelt. Für uns Menschen ist ein klarer Sternenhimmel, der nicht durch Kunstlicht verhangen ist, ein wunderschönes Erlebnis – für Zugvögel ist er eine Überlebensfrage.
Nicht zuletzt gerät durch ganzjährige nächtliche Beleuchtung auch der Rhythmus der Pflanzen durcheinander. Eine auffallende Beobachtung ist zum Beispiel, dass Baumkronen im Bereich von Straßenlaternen lange ihr Laub behalten – was sie ja eigentlich im Herbst abwerfen, um im Winter Energie zu sparen.
Es ist also an der Zeit, die nächtliche „Lichtverschmutzung“ auf ein vernünftiges Maß herunterzufahren. Bundesweit gibt es bereits Sternenparks in Regionen, die (noch) nicht durch nächtlichen Lichteinfall aus Siedlungen, Straßen oder Industrieanlagen überstrahlt werden. Auch die Insel Spiekeroog wurde als „Sterneninsel“ ausgezeichnet.
Bei der Wattenmeer-Regierungskonferenz in Wilhelmshaven Ende November 2022 wurde ein „Dark Sky“-Abkommen unterzeichnet mit dem Ziel, die Lichtverschmutzung an unseren Küsten einzudämmen. In Norddeich gab es unlängst eininternationales Arbeitstreffen zur effizienten und umweltschonenden Steuerung von Licht in den Häfen der Wattenmeer-Region. „Digitale Lösungen helfen dabei, Licht so zu steuern, dass ein sicherer Hafenbetrieb gewährleistet ist und die Auswirkungen auf das Wattenmeer reduziert werden“, so NPorts. Das wäre auch für Wilhelmshaven wünschenswert – bspw. ließe sich die Beleuchtung der „Hoegh Esperanza“, die derzeit Watt und umliegende Ortschaften nächtlich erleuchtet, in diesem Sinne effizient steuern.
Gefühlte Sicherheit
Oft werden Initiativen für mehr „echte Nacht“ mit Sicherheitsbedenken abgewehrt. Subjektiv vermittelt Licht zwar ein Sicherheitsempfinden, sei es ein dezentes Nachtlicht im Kinderzimmer oder das Lagerfeuer im Wildniscamp. Dass hell erleuchtete Straßen, Gebäude und Gärten vor kriminellen Übergriffen schützen, ist allerdings ein Trugschluss, wie ein Blick in polizeiliche Statistiken verrät. Einbrechern ist vor allem daran gelegen, dass die Bewohner ihres Zielobjektes nicht zu Hause sind, und das ist eher tagsüber der Fall, wenn die meisten auf der Arbeit oder Einkaufen sind. Auch Überfälle geschehen am helllichten Tag.
Die „schicke“ Fassaden- oder Gartenbeleuchtung nützt also vor allem dem Hersteller, schadet aber den tierischen Mitbewohnern rund ums Haus. Und um bei der nächtlichen Heimkehr sicher die eigene Haustür zu erreichen, tun es auch Bewegungsmelder oder andere smarte Lösungen.
Auch energiesparende LED-Lampen sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Der Spareffekt wird durch den Lifestyle-Trend, überall alles zu beleuchten, aufgehoben. Über die Ausrichtung (eher nach unten) und die Lichtfarbe (warme Farben unter 3.300 Kelvin) kann man die Beleuchtung naturverträglicher gestalten.
„Willumina“ lebt von gezielter Inszenierung
Die „Earth Hour“ soll dazu anregen, angesichts der genannten Auswirkungen die dauerhafte und flächendeckende Beleuchtung unserer Lebens-Umwelt kritisch zu hinterfragen. Ist die „Willumina“ angesichts dessen nicht Energieverschwendung und Umweltfrevel? Nein, meint der BUND, denn hier wird Licht – an 5 Tagen des Jahres und mit gerichteten Projektionen – zu einem besonderen, bewussten Erlebnis. Solch eine - zeitlich und örtlich begrenzte - Inszenierung wirkt dann am besten, wenn unsere Umwelt nicht ansonsten rund ums Jahr von Licht überflutet ist. So kann man sich beim Besuch dieser Veranstaltung bewusst machen, wie stark der Wechsel von Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht uns prägt und beeinflusst. Positiv ist auch anzumerken, dass die Veranstaltung auf urbanen Plätzen stattfindet. Vor fünf Jahren fand ein mehrtägiges Lichtspektakel im Kurpark statt – schön anzusehen, aber für die dort lebenden Tiere, insbesondere in der Brutzeit, ist das schon belastend. Die „Willumina“ zeigt, wie sich kultureller Genuss und Natur- und Umweltschutz miteinander vereinbaren lassen.
Hier sind Satellitenaufnahmen der nächtlichen Erde zu finden: https://earthobservatory.nasa.gov
Projekt zur smarten Lichtsteuerung in Wattenmeer-Häfen: https://www.nports.de/aktuelles- presse/pressemitteilungen/artikel/news/lichtblicke-im-hafen-norddeich/