BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven

Einwendungen gegen den Antrag auf Chloreinleitung in die Jade

12. Oktober 2022

FAQ zum LNG-Terminal: Uniper beantragt Erlaubnis zum Einleiten von Biozid-haltigem Wasser in die Jade – wie können Bürger/innen und Organisationen sich einmischen?

In den letzten Tagen erreichen uns viele Anfragen von Menschen, die nicht verstehen bzw. nicht damit einverstanden sind, dass über den Wasserkreislauf des LNG-Umschlagterminals große Mengen Biozide in die Jade eingeleitet werden sollen, in unmittelbarer Nähe zum Nationalpark und Weltnaturerbe Wattenmeer. Sie möchten wissen, was der BUND und andere Umweltverbände dagegen unternehmen. Und ob und wie sie selbst als Einzelperson ihre Bedenken einbringen können.

Hier haben wir Antworten und Tipps dazu für Euch zusammengestellt. Im Anschluss findet ihr eine (unvollständige) Zusammenfassung der Kritikpunkte, die im Zusammenhang mit diesem Antrag diskutiert werden.

Terminhinweis: Am 19. Oktober ist Einsendeschluss für Einwendungen. Am kommenden Dienstag, 18. Oktober 2022, werden wir uns beim BUND-Stammtisch nochmal dazu austauschen. Alle Interessierten (auch Nichtmitglieder) sind herzlich eingeladen. Wir treffen uns um 19 Uhr beim Kulturversorgerin e.V., Grenzstraße 16, 26382 Wilhelmshaven.

Was unternimmt der BUND im Zusammenhang mit dem Uniper-Antrag?

Wir erarbeiten in Zusammenarbeit zwischen Kreisgruppe und Landesverband eine umfassende fachliche Stellungnahme zu dem Antrag. Die Einwendungen werden fachlich auch mit anderen Umweltverbänden abgestimmt.

Kann ich als Privatperson Einwendungen erheben?

Ja. In der amtlichen Bekanntmachung steht ausdrücklich: Die Öffentlichkeit kann bis einschließlich 19.10.2022 Einwendungen gegen den Antrag schriftlich bei einer der vorgenannten Auslegungsstellen oder elektronisch über die E-Mail-Adresse GB6-OL-Poststelle(at)nlwkn.niedersachsen.de erheben.

Gibt es eine Muster- oder Sammeleinwendung?

Nein. Wir haben unten einige Punkte aufgeführt, über die viele schon gestolpert sind, die sich bei uns gemeldet haben und mehr Hintergründe und Zusammenhänge wissen wollen. Alle, die sich zu diesem Thema eigene Gedanken machen und sich beteiligen wollen, können und sollen eine individuelle Einwendung formulieren.

Wichtig: auf dieser Verfahrens- und Entscheidungsebene ist es eine Einwendung. Ein Widerspruch oder eine Klage ist erst nach der behördlichen Entscheidung möglich.

Muss ich meine Einwendung per Einschreiben schicken?

Nein. Es reicht die E-Mail an die oben genannte Adresse, man kann zusätzlich um eine Empfangsbestätigung bitten. Hilfsweise oder ergänzend kann man die Einwendungen auch in Schriftform bei der Gemeinde Butjadingen, der Gemeinde Wangerland oder der Stadt Wilhelmshaven (Technisches Rathaus) abgeben und sich den Eingang mit Datum auf einer Kopie quittieren lassen.

An wen adressiere ich meine Einwendungen?

Federführende Behörde für das Erlaubnisverfahren ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Anschrift (für den Kopf von Brief oder Mail):

Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Direktion, Standort Oldenburg
Im Dreieck 12
26127 Oldenburg

Betreff: LNG-Terminal Wilhelmshaven - FSRU - Fa. Uniper Global Commodities SE
Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zur Einleitung von Ab- und Prozesswässern - Anhörungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Rahmen des vorgenannten Verfahrens erhebe ich folgende Einwendungen: …

Was passiert mit meiner Einwendung?

Alle Einwendungen müssen von der Behörde gewürdigt werden. Der NLWKN kann (muss aber nicht) einen Erörterungstermin durchführen, soweit er diesen für erforderlich oder zweckmäßig hält. Der Termin würde dann öffentlich bekannt gemacht werden. Die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden.

Was sind die wesentlichen Kritikpunkte, zu denen Einwendungen gemacht werden?

„Gegenstand des vorliegenden Erlaubnisantrags ist die Einleitung von mit Bioziden behandeltem und abgekühltem bzw. erwärmtem Seewasser (SW), welches beim Betrieb der FSRU für die Regasifizierung von LNG, die Kühlung der Hauptgeneratoren, Hilfsmaschinen und des Dampfkondensators, die Erzeugung von Frischwasser sowie für die weiteren, in der untenstehenden Tabelle aufgelisteten Zwecke Verwendung findet, in einer Menge bis zu 7,02 m³/s, 25 269 m³/h, 530 095 m³/d und 177 780 775 m³/a in die Jade.“ Es wird die unbefristete Erlaubnis der Einleitung von mit Bioziden (Natriumhypochlorit) behandelten Ab- und Prozesswässern aus der FSRU in die Jade beantragt.

Einleitung von Bioziden im Einzugsbereich von Meeresschutzgebieten

Hintergrund: Das Flüssiggas wird mit etwa -160 Grad hertransportiert. Damit es in Gasform ins Netz eingespeist werden kann, wird es erwärmt, die Wärme wird dem Meerwasser entzogen. Damit sich Meeresorganismen wie z.B. Muschellarven nicht in den Wärmetauschern festsetzen, werden sie durch Zugabe von Chlor als Biozid abgetötet. Am Ende des Prozesskreislaufs wird das Wasser wieder ins Meer gepumpt. Bei einem Restchlorgehalt von 0,2 mg/l gelangen so täglich gut 100 kg Chlor in die Jade.

Einwendung: Das Terminal befindet sich in unmittelbarer Nähe des Nationalparks und Weltnaturerbes Wattenmeer, gleichzeitig Natura2000-Gebiet und Feuchtgebiet internationaler Bedeutung (RAMSAR). Zum Schutz der Tiere, Pflanzen und Lebensräume ist der Einsatz von Bioziden abzulehnen.

Mangelhafte Alternativenprüfung und -bewertung

Einwendung: Der Einsatz von Chlor zur Verhinderung des Bewuchses in den seewasserführenden Anlagenteilen ist nicht Stand der Technik und nicht alternativlos. Weltweit arbeiten Wärmekraftwerke, die Kühlwasser aus Flüssen oder Meeren entnehmen, mit einem mechanischen Antifouling-Verfahren, das gilt als Stand der Technik. Darüber hinaus gibt es weitere Verfahren, die in den Antragsunterlagen erwähnt sind, aber als „zu aufwändig“ bewertet werden. Angesichts des finanziellen Gesamtvolumens des LNG-Projektes kann ein „zu hoher Aufwand“ kein Argument sein, eine biozidfreie Alternative wie Ozon abzulehnen, um einen weltweit einmaligen Lebensraum angemessen vor den Auswirkungen des Terminals zu schützen.

Unzureichende Überwachung der Biozidkonzentration

Während des FSRU-Betriebs werden die Biozid-Dosierung sowie die Einhaltung der Grenzwerte überwacht, indem regelmäßig Proben per Hand aus einzelnen (aber nicht allen) in die Jade zurückgeführten Seewasserströmen genommen werden. Üblicherweise wird nach Angaben des FSRU-Vercharterers Höegh an neuen Standorten zu Beginn des Betriebs, d.h. nach Start des Probebetriebs mit LNG-Übertragung im offenen Modus, 1 x täglich die Biozidkonzentration am größten Auslass O-1 „Regas SW-Auslass“ gemessen, um die Elektrochlorierung auf Basis der in-situ Wasserbedingungen zu justieren. Bei an drei Tagen gleichbleibenden Werten unterhalb der erlaubten Maximalkonzentration wird das Intervall dann vergrößert und es werden später, d.h. nach Inbetriebnahme bzw. ab kommerziellen Betrieb der FSRU, nur noch stichprobenartig Kontrollmessungen an einem zufällig ausgewählten Auslass (O-1 sowie O-3 bis O-8, s. Auflistung unten) mit Zapfstelle durchgeführt (z.B. 1 x pro Woche, später 1 x Monat), sobald sich ein stabiler Betrieb des Seewassersystems unterhalb des 0,2 mg Cl2/l-Schwellenwerts eingestellt hat. Die Analysewerte werden protokolliert. Für die Seewasseranalyse wird von Höegh typischerweise ein Test-Kit vom Typ „Comparator® 2000+“ des Herstellers Lovibond verwendet.

Einwendung: Die Überwachung der Biozidkonzentration im Dauerbetrieb durch händische, stichprobenartige, zufällige, monatliche Probenahme korrespondiert nicht mit den Sicherheitsansprüchen, die solch eine großtechnische Anlage erfüllen sollte. Eine fortlaufende automatische computergestützte Messung, Protokollierung und Warnsystem an allen relevanten Auslässen sollte hier verpflichtend sein.

Grenzwerte

Es wird um Erläuterung / Begründung gebeten, warum bei diesem Verfahren höhere Grenzwerte für die Chloreinleitung angesetzt wurden als bei vergleichbaren Projekten. Einen geplanten Grenzwert von 0,1 Milligramm Chlor pro Liter stuften die australischen Behörden 2021 als zu hoch ein, die Höegh Esperanza durfte dort nicht in Betrieb gehen (Projekt Crib Point, Bundesstaat Victoria).

Laut Sicherheitsdatenblatt, umweltbezogene Angaben, gelten folgende Angaben für die Toxizität von Chlor: Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung. Bei der Toxizitätsbestimmung entspricht die EC50 einer Konzentration, die bei 50 % einer Versuchspopulation in einer bestimmten Expositionszeit eine andere definierte Wirkung als den Tod auslöst; bei Letalität spricht man von LC50. EC50 48h - Daphnia magna: 0,141 mg/l; EC50 72h - Algen [mg/l] : 0,001 - 0,01 mg/l; LC50 96 Stunden -Fisch [mg/l] : 0,032 mg/l

Sicherheitsdatenblatt für Natriumhypochlorit: Gemäß 1272/2008/EG: Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung. Der PNEC beschreibt die chronische Toxizität für die empfindlichsten Organismen. Für Meerwasserorganismen beträgt der Schwellenwert 0,042 μg/l. Akute aquatische Toxizität: EC50 wirbellose Wasserlebewesen 35 μg/l 48 h; EC50 Alge 0,018 mg/l 72 h. Chronische aquatische Toxizität LC50 Fisch 0,05 mg/l 120 h; EC50 > Mikroorganismen 3 mg/l 3 h.

Befristung

Beantragt wurde eine unbefristete Einleitung der biozidbelasteten Ab- und Prozesswässer. Sofern die Erlaubnis erteilt wird, sollte sie (Vorschlag: auf ein Jahr) befristet werden. Die Auswirkungen auf die Meeresumwelt sollten einem intensiven Monitoring unterliegen, ggf. kann dann nachgesteuert werden.

Umweltverträglichkeitsprüfung

Auf Grundlage das LNG-Beschleunigungsgesetzes (LNGG, §4) wurde bei diesem Verfahren keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt. Beim vorgenannten geplanten Projekt in Crib Point kam die UVP zur Anwendung, mit dem Ergebnis, dass der Betrieb im Umfeld eines empfindlichen Meeresschutzgebietes nicht zulässig ist. Der Meeresschutz ist auch im globalen Kontext eine große langfristige Verantwortung, der sich Deutschland nicht zugunsten kurzfristiger Interessen nicht entziehen darf. Nur mit einheitlichen Verfahrensweisen lassen sich globale Ziele und Vereinbarungen umsetzen.

Kumulative Wirkung

Neben dem Uniper-Terminal mit der Höegh Esperanza wird Ende nächsten Jahres am gleichen Anlager eine zweite FSRU von der Firma TES in Betrieb genommen. Sofern dort nicht eine andere Antifouling-Technik zum Einsatz kommt, wird sich der Chlor-Eintrag in die Jade verdoppeln. In jedem Fall wird sich die täglich verwendete Prozesswassermenge etwa verdoppeln. Auch wenn es sich formal um zwei getrennte Projekte handelt, müssen die kumulativen Auswirkungen perspektivisch schon jetzt berücksichtigt werden.

Auswirkungen auf den Tourismus

Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftsfaktor in der Wattenmeerregion und trägt mit einem jährlichen Umsatz von 3 bis 5 Milliarden Euro wesentlich zum Erhalt von Arbeitsplätzen bei. Intakte und saubere Natur sind wesentliche Faktoren für das positive Image. Dies kann durch die Einleitung von Bioziden nachhaltig geschädigt werden. Die nördlich des Terminals angrenzende Tourismusgemeinde Wangerland hat sich deshalb bereits kritisch geäußert und wird Einwendungen erheben.

Auswirkungen auf traditionelle Fischerei im Biosphärenreservat Niedersächsisches Wattenmeer

In der Jade liegen wichtige Jungmuschelkulturen der niedersächsischen Miesmuschelfischer. Die Muscheln brauchen sauberes Wasser, die Larven sind besonders empfindlich. Mit dem Prozesswasser für die FSRU werden auch Muschellarven angesaugt und durch das Biozid abgetötet. Zusätzlich werden die Kulturen durch die Baggerarbeiten für die Herstellung und Unterhaltung der Zufahrt und der Liegewanne für das Terminal beeinträchtigt. Die Existenz der Muschelfischereibetriebe darf durch das LNG-Terminal nicht vernichtet werden.

Erörterungstermin

Aufgrund der Vielfalt und Komplexität der Faktoren, die für die Umweltrelevanz des beantragten Vorhabens bedeutsam sind, wird der NLWKN gebeten, einen Erörterungstermin durchzuführen, ggf. in digitaler Form.

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