BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven

Position der BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven zur Einrichtung eines Kitesurf-Spots am Fliegerdeich

22. März 2021

Die Stadtverwaltung soll beauftragt werden, die Einrichtung eines Kitesurf-Spots am Fliegerdeich zu prüfen. Wir empfehlen, sowohl aus naturschutzfachlicher Sicht als auch im Interesse einer nachhaltigen touristischen Entwicklung, auf dieses Vorhaben zu verzichten.

Kitesurfer am Wilhelmshavener Südstrand. Foto: BUND Kitesurfer am Wilhelmshavener Südstrand. Foto: BUND

Auf Antrag der Gruppe CDU / WBV soll die Verwaltung per Ratsbeschluss am 24.3.2021 beauftragt werden, die Einrichtung eines Start- und Landebereiches für Kitesurfer am Fliegerdeich, zwischen Senckenberg-Institut und Fliegerablaufbahn, zu prüfen.

Hierzu äußern wir folgende naturschutzfachliche Anmerkungen bzw. Bedenken:

Die Einrichtung einer Kitesurfzone vor dem Fliegerdeich ist mit dem Schutz der dort regelmäßigen vorkommenden Flussseeschwalben, Schweinswale und Seehunde nicht vereinbar. Für alle drei Tierarten ist der Bereich ein bedeutendes Nahrungsgebiet.

Darüber hinaus besitzt dieses Phänomen, direkt vor dem Deich diese besonders geschützten Tierarten beobachten zu können, einen hohen naturtouristischen Wert für Wilhelmshaven zur Festigung des Alleinstellungsmerkmals „Hauptstadt des Weltnaturerbes Wattenmeer“. Nicht umsonst wurden 2016 in Kooperation mit der WTF die „Wilhelmshavener Schweinswaltage“ ins Leben gerufen. Mit Einrichtung der Ausstellung und Beobachtungsstation an der Seeschwalbenkolonie Banter See kommt diese Tierart zum Portfolio „Welterbe-Tourismusstandort Wilhelmshaven“ hinzu.

Der Rat der Stadt muss sorgfältig, klug und konsequent entscheiden, ob diese Welterbe-DNA weiterverfolgt wird - oder aber ein beliebiger Mainstream aus allen möglichen bunten und lauten Unterhaltungsformen und Events das touristische Bild prägen soll. Wir wollen dies nicht bewerten, die Weichen stellen die gewählten Ratsvertreter:innen – unsere Empfehlung wäre allerdings, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung das Profil „Natur-Erlebnis-Stadt am Welterbe Wattenmeer“ zu schärfen und entsprechend authentisch zu agieren.

Hintergrund

Bislang wurden, auf Antrag der Kommunen, seitens der Nationalparkverwaltung (NLPV) Kitesurf-Zonen ausgewiesen, sofern das mit den Zielen und Schutzvorschriften des Nationalparks vereinbar war. Hintergrund ist, dass Drachen nachweislich eine erhebliche Störwirkung auf wildlebende Vögel entfalten, da die beweglichen „Körper“ am Himmel instinktiv als Greifvögel wahrgenommen werden und Fluchtreaktionen auslösen. Das Drachensteigen ist deshalb nach Nationalparkgesetz (NWattNPG) im Nationalpark verboten. Da Kiteboards von Drachen angetrieben werden, fand dieses Verbot entsprechend Anwendung.

Mit der Einrichtung gekennzeichneter Kitesurfzonen schuf die NLPV einen tragfähigen Kompromiss zwischen Sport und Naturschutz, der gut funktionierte.

Der 2014 von der Stadt Wilhelmshaven gestellte Antrag auf einen Kite-Spot vorm Südstrand / Fliegerdeich wurde allerdings abgelehnt, da hier die Vereinbarkeit mit dem Naturschutz nicht gegeben ist. "Von vornherein ausgeschlossen werden ... die Ruhezone des Nationalparks und Flächen mit besonderer Bedeutung für rastende, ziehende und brütende Vögel sowie für Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale." Vor dem Fliegerdeich liegt ein ca. 500m breiter Bereich der Zwischenzone des Nationalparks, südlich davon beginnt die Ruhezone. Doch auch die Zwischenzone direkt vor dem Deich ist an dieser Stelle von besonderer Bedeutung für drei Tierarten, die zu den wertgebenden Arten für das Schutzgebiet zählen: Schweinswal, Seehund und Flussseeschwalbe.

Vom April bis in den Sommer hinein sind direkt vor dem WHVer Südstrand regelmäßig und häufig Schweinswale, auch mit Jungtieren, zu beobachten. Sie folgen dem Nahrungsangebot in dem Priel, der parallel zum Deich verläuft, von der Schleuseninsel über die 1. Einfahrt (Helgolandkai) bis nach Westen zum so genannten Banter Fischerdorf. Etwa 80% der regelmäßigen Schweinswalsichtungen von Naturbeobachtern (JadeWale e.V., BUND und andere) finden in diesem Bereich statt. Auch Seehunde sind dort regelmäßig bei der Jagd nach Fischen zu beobachten, vereinzelt nutzen sie sogar den Deichfuß als Ruheplatz.

An der Nordseite des Banter Sees befindet sich seit Jahrzehnten eine bedeutende Flussseeschwalben-Kolonie, die vom Institut für Vogelforschung betreut wird. Mehrere 100 Brutpaare ziehen dort jährlich ihre Jungen auf. Der Jadebusen ist ein wichtiges Jagdrevier, die jagenden Elternvögel sind im Jadebusen im gesamten Bereich der geplanten Kitesurfzone und darüber hinaus zu beobachten. Unermüdlich pendeln sie zwischen Jadebusen und Brutkolonie, um den Nachwuchs mit Fischen zu versorgen.

Änderung der rechtlichen Voraussetzungen

Nachdem zwei Kitesurfer gegen die bestehende Regelung durch die NLPV geklagt hatten, wurde diese Ende 2020 vom OVG Lüneburg gekippt mit der Begründung, dass Kiteboards, ungeachtet des Antriebs durch einen Drachen, als Wasserfahrzeuge anzusehen sind und das befahren des Nationalparks mit Kiteboards somit durch die Befahrens Verordnung des Bundesverkehrsministeriums zu regeln ist. Das Land Niedersachsen bzw. die NLPV als ausführende Behörde besitzt demnach hierfür keine Regelungskompetenz.

Das Nds. Umweltministerium, die NLPV, Kommunen und Kiter arbeiten jedoch gemeinsam daran, den bewährten Kompromiss auf anderer Ebene fortzusetzen: Die zuvor rechtsverbindlichen Kitespots im Nationalpark sollen zukünftig freiwillig weiter genutzt werden, um den Sport in naturschutzfachlich vertretbaren Bereichen zu kanalisieren.

Warum noch ein Kitespot in Wilhelmshaven?

An der Küste des Wangerlandes gibt es gleich zwei gut erreichbare etablierte Kitespots (Hooksiel und Schillig). Für die Kiter ist es also keine „unzumutbare Härte“, wenn es direkt in WHV keinen Kitespot gibt.

Kommunen erhoffen sich von Kitespots, eine zusätzliche touristische Klientel zu gewinnen. Kiter bringen auch Familie oder Freunde mit und für Interessierte ist es auch unterhaltsam, den Sportler:innen zuzuschauen. Man muss sich aber bewusst sein, dass die dauerhafte Hochgeschwindigkeits-„Action“ vorm Strand nicht jedermanns Geschmack ist. Viele möchten dem Trubel des Alltags entkommen und einfach nur auf die stille Weite des Wassers schauen oder aber auch schwimmen gehen, ohne darauf achten zu müssen, ob gerade ein Kiter den Weg kreuzt. Die Notwendigkeit, Bade- und Kitebereiche aus Sicherheitsgründen klar voneinander abzugrenzen, sollte den verantwortlichen bei der Entscheidungsfindung bewusst sein.

Nach dem Wegfall des Geniusstrandes (JadeWeserPort) ist der Südstrand der einzig verbliebene Strandbereich am Meer in WHV, den Einheimische und Gäste zum Spazierengehen, Lagern / Sonnen und Baden nutzen können. An schönen Tagen ist er sehr stark frequentiert. Der Liege- und Badebereich erstreckt sich zumeist bis zur Fliegerablaufbahn, an warmen Tagen in der Hochsaison / Ferienzeit verteilen sich die Erholungsuchenden jedoch auch weiter westlich auf Höhe der Zwischenzone des NLPs und gehen dort auch schwimmen. Eine Gefährdung von Schwimmern durch Kitesurfer wäre dort unvermeidlich, sofern im Kitebereich das baden nicht weiträumig verboten wird.

Zum Naturschutz zählt auch das Schutzgut Mensch. Auch in diesem Sinne ist unsere Empfehlung, am intensiv frequentierten Südstrand auf einen Kitesurfspot zu verzichten zugunsten einer breiten Nutzerschicht, die – verstärkt durch die Coronapandemie – Erholung und Entspannung in der Natur sucht und von solchen kostenlosen Bademöglichkeiten profitiert.

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