Energiekrise versus Klima-und Artenschutz?

Flüssig-Erdgas ist keine Lösung

Im Dezember ging in Wilhelmshaven das erste LNG-Terminal in Betrieb. In Rekordzeit von etwa 190 Tagen war an der Anlegebrücke vor dem Voslapper Groden Nord ein neuer Anleger für eine schwimmende Regasifizierungsanlage gebaut worden (FSRU = Floating Storage and Regasification Unit). Auch die Gasleitung vom Terminal nach Etzel, von wo aus das LNG ins deutsche Gasnetz eingespeist wird, war ruckzuck gebaut. Ebenso fix gingen die Genehmigungsverfahren für Bau und Betrieb der Anlagen über die Bühne, ermöglicht durch das LNG-Beschleunigungsgesetz, das es ermöglicht, umweltrechtliche Aspekte und auch die Beteiligung der Umweltverbände bei solchen Projekten weitgehend zu minimieren.

Am 16.12.2022 machte die FSRU "Hoegh Esperanza" am Anleger fest und wurde am nächsten Tag mit großem Staat eingeweiht. Zu den 200 Gästen (plus ebensoviele Journalist*innen) zählte die gesamte Spitze der Ampel-Koalition: Kanzler Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) und Finanzminister Lindner (FDP). Doch was gab es da eigentlich zu feiern? Angesichts des Klimawandels sollte die Rückkehr zu fossiler Energie als "Notlösung" allenfalls zähneknirschend erfolgen. Und allenfalls so kurz wie möglich befristet.

Stattdessen wurde die Genehmigung seitens der zuständigen Behörden gleich bis Ende 2043 erteilt. Gleichzeitig möchte Deutschland bis 2045 klimaneutral sein - das passt nicht zusammen. Laut Experten würden 3 LNG-Terminals reichen, um die Lücke des fehlenden Gases aus Russland zu füllen. Doch bereits jetzt sind 4 weitere Terminals in Betrieb bzw. Planung - ein weiteres in Wilhelmshaven und je eins in Lubmin, Brunsbüttel und Stade. Insgesamt ist von einem Dutzend schwimmender und fest installierter Terminals die Rede. Letztere sollen dann auf Knopfdruck für den Import von Wasserstoff nutzbar sein. Doch wie "grün" ist Wasserstoff, der tausende Kilometer entfernt im sogenannten "Sonnengürtel" mit Fotovoltaik erzeugt und dann mit fossil betriebenen Schiffen nach Wilhelmshaven geschippert wird? Bei Umwandlung und Transport gehen bis über 60% der eingesetzten Energie verloren!

Keine Biozide ins Wattenmeer!

Die "Hoegh Esperanza" arbeitet zudem mit einem Antifouling-Verfahren, das nicht Stand der Technik im Sinne des Umwelt- und Meeresschutzes ist. In den Wärmetauschern wird das flüssige Gas mittels der Wärme aus dem Meerwasser regasifiziert. Dazu werden täglich über eine halbe Million m³ Meerwasser aus der Jade entnommen. Um zu verhindern, dass sich kleine Meeresorganismen in den Wärmetauschern festsetzen, wird das genutzte Meerwasser mit Bioziden in Form von Chlorverbindungen versetzt. Durch chemische Prozesse entstehen dabei auch verschiedene Brom-Verbindungen. Dieser Cocktail wird dann in die Jade zurückgeleitet. Laut Antragsunterlagen tritt schnell ein Verdünnungseffekt ein. Die dargestellten Messmethoden sind jedoch völlig unzureichend. Von den 5 an deutschen Küsten eingesetzten FSRUs arbeitet die "Hoegh Esperanza" als einzige mit dem chlorbasierten Antifouling-Verfahren. In Australien durfte sie genau deshalb, als Ergebnis der dort durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung, nicht zum Einsatz kommen. Eine Alternative ist z.B das Antifouling per Ultraschall.

Widerspruch!

Der BUND hat das gesamte Verfahren kritisch begleitet. In Zusammenarbeit zwischen unserer Kreisgruppe, unserem Landesverband und Bundesverband und in Abstimmung mit anderen Umweltschutz-Organisationen haben wir Gespräche mit Politik und Behörden geführt, die Öffentlichkeit über unsere fachlichen Bedenken informiert und Stellungnahmen im Rahmen der formalen Genehmigungsverfahren abgegeben. Unter anderem haben wir belastbare Messverfahren für die eingeleiteten Biozide gefordert, hier wurde versprochen nachzubessern. Trotzdem hat der BUND im Januar 2023 Widerspruch gegen die Betriebserlaubnis eingelegt, da die Chlor-Einleitung ins Wattenmeer durch verfügbare Alternativen vermeidbar wäre. Ein weiter Punkt unseres Widerspruchs ist die mit 20 Jahren viel zu lange Betriebserlaubnis, die inmitten der Klimakrise den Einsatz fossiler Energieträger zementiert und damit das internationale Pariser Klimaschutzabkommen wie auch Klimaschutzgesetze von Land und Bund konterkariert.