BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven

BUND: Chlor ist nicht „Stand der Technik“ beim Antifouling

14. Oktober 2022

Um zu verhindern, dass sich Muscheln, Seepocken und andere Meeresorganismen in Wärmetauschern festsetzen, nutzen Wärmekraftwerke standardmäßig mechanische Verfahren. Der Einsatz von Chlor ist also nicht, wie es im Uniper-Antrag dargestellt wird, "Stand der Technik".

„Politik darf trotz Energiekrise den Meeres- und Artenschutz nicht aus den Augen verlieren“

Wenn das LNG-Umschlagschiff (FSRU) „Höegh Esperanza“ wie geplant Ende des Jahres am Anleger Voslapper Groden in Betrieb geht, werden pro Tag etwa 530.000 m³ Seewasser angesaugt einschließlich der darin enthaltenen Meereslebewesen. Damit die sich nicht im Rohrsystem festsetzen (Biofouling), wird das Prozesswasser mit „Aktivchlor“ (Natriumhypochlorit) behandelt, was die Lebewesen abtötet (Antifouling). Eingangs sind es 0,5 mg Cl2/l, am Ende werden 0,2 mg Cl2/l in die Jade entlassen. Bei 530 Mio Liter sind das gut 100 kg Chlor täglich. „Nach Darstellung der Betreiber ist diese Methode des Antifoulings ‚Stand der Technik‘ und alternativlos“, erklärt Imke Zwoch, Vorsitzende der BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven. „Nach unseren Recherchen sind jedoch in anderen Kühl- bzw. Wärmetauschersystemen längst umweltschonendere Methoden im Einsatz.“ So arbeiten Wärme-Großkraftwerke weltweit standardmäßig mit mechanischen Antifouling-Verfahren. Dabei werden kalibrierte Kautschukbällchen durch die Rohre geschickt, halten die Innenwände frei, werden am Ende des Systems aufgefangen und über einen längeren Zeitraum immer wiederverwendet. „So erreichen die Kraftwerksbetreiber das gleiche Ziel, ohne das von ihnen genutzte Gewässer mit Chemikalien zu belasten, das ist weltweit Stand der Technik.“

Der Einsatz von Chlor war ein wesentlicher Grund, warum australische Behörden im vergangenen Jahr den Betrieb der „Höegh Esperanza“ in Crib Point, in unmittelbarer Nähe von Meeres-Schutzgebieten an der Südostküste bei Melbourne, abgelehnt haben. Nur deshalb bekam Deutschland kurzfristig Zugriff auf die schwimmende Flüssiggas-Umschlagsanlage. In den Antragsunterlagen wird beschrieben, so Imke Zwoch, dass andere Antifouling-Techniken, z. B. Ozon, einen „unverhältnismäßigen Aufwand“ bedeuten, die Elektrochlorierung sei am „effizientesten“. „Die für 10 Jahre gecharterte FSRU kostet 200.000 Euro Miete – pro Tag“, bemerkt Zwoch. „Und dafür kann man nicht verlangen, dass zum Schutz der Meeresumwelt wenigstens die bestmögliche Technik eingesetzt wird? Wieviel ist uns das Weltnaturerbe vor unserer Haustür wert?“

Bei der Prüfung der Antragsunterlagen sind dem BUND noch weitere Unstimmigkeiten aufgefallen. Rainer Büscher, Vorstandsmitglied des BUND Wilhelmshaven: „Zur Überwachung der Biozidkonzentration werden Proben per Hand aus einzelnen in die Jade zurückgeführten Seewasserströmen genommen. Erst täglich, später stichprobenartig und nur noch monatlich. Wie muss ich mir das vorstellen, wird dann ein Mannschaftsmitglied mit dem beschriebenen Testköfferchen losgeschickt? Selbst in viel kleinerem Maßstab, ob für kommunale Wasserversorgung, Schwimmbäder und Pools, sind digitale Dauermessgeräte für Chlor, Brom und weitere Parameter im Einsatz. Auf welchem Sicherheitsniveau bewegen wir uns hier bei einer großtechnischen schwimmenden Industrieanlage in der Nähe empfindlicher Meeresschutzgebiete?“

Zwoch und Büscher betrachten mit Sorge, „wie Deutschland im Rennen ums fossile Flüssiggas die über Jahrzehnte entwickelten Standards und Ziele des Natur-, Arten-, Meeres- und Klimaschutzes beiseite wischt.“ Ihre Forderung: „Wenn unsere Bundes- und Landesregierungen den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt noch nicht ganz aus den Augen verloren haben, sollten sie umgehend die nötigen Kurskorrekturen vornehmen.“

 

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